Mona, die Adoptantin von Odin erzählt in diesem tollen Bericht, ihre Erlebnisse mit Odin; das man seinen Hund so liebt wie er ist und das Thema HSH-Mischlinge. Vielen lieben Dank Mona, dass Odin bei dir so ein liebevolles Zuhause finden durfte und für deinen tollen Bericht:
„Du und ich! – oder: warum ich rein zufällig genau das Richtige getan habe, als ich einen Herdenschutzhund-Mischling adoptierte …
Eigentlich wollte ich schon immer mit einem Hund zusammenleben. Aus verschiedenen, vorrangig beruflichen Gründen habe ich mir diesen Wunsch jedoch lange Zeit nicht erfüllt. Ende des Jahres 2018 – es war genau an Silvester – habe ich es mir jedoch zum guten Vorsatz gemacht, diesen Lebenswunsch nun endlich wahr zu machen, sonst würde ich es vermutlich nie tun. Die Rahmenbedingungen stimmen, ein eigenes Haus mit Garten, eine Hundetagesstätte im Dorf, in die „der Hund“ ggf. gehen kann, wenn er Spaß daran hat und die berufliche Situation stimmt auch. Nun musste natürlich noch „der Hund“ gefunden werden… Wie so vieles heute, funktionierte die Suche nach „dem Hund“ online. Auf einer Tiervermittlungsseite habe ich als einzig vorausgesetzte Eigenschaft „Katzenverträglichkeit“ eingegeben, da hier auch vier Tierschutzkatzen leben und auch weiterhin glücklich leben sollen.
Da bist Du! Als ich im Januar 2019 dieses Inserat von „Hunde in Not Pfarrkirchen e.V.“ gesehen habe, wusste ich sofort, dass ich mit der Suche fertig bin… Odin ist ein – zum damaligen Zeitpunkt knapp sechs Monate junger – Mischlingsrüde aus der Smeura in Rumänien. Und all denjenigen, bei denen hier schon die Alarmglocken geläutet hätten, möchte ich gleich vorab gestehen: Ich gehöre zu denen, die zuvor wussten, dass es Hütehunde gibt, von Herdenschutzhunden (HSH) aber noch nie etwas gehört hatte. Sofort telefoniert, Vorkontrolle absolviert, was aufgrund meines Wohnortes in der Nähe von Köln dankenswerter Weise durch eine andere Tierschutzorganisation übernommen werden durfte, das Haus hundegerecht vorbereitet und für den 1. Februar 2019 ein „Blind Date“ mit direkter „Adoptions-Option“ verabredet. Nach einem sehr, sehr herzlichen Willkommen durch Familie Bohrer in Pfarrkirchen erfolgte dann die „Familien- zusammenführung“. Odin war bei unserem „Blind Date“ ebenso schüchtern-zurückhaltend wie tapfer. Zunächst wollte er sich kaum sein Geschirr anziehen lassen, ging dann aber direkt und mutig mit auf einen kleinen Spaziergang. Nachdem die „Formalitäten“ erledigt waren, konnte die lange Heimreise angetreten werden; er hat die 650 km lange Rückfahrt mit dem Auto großartig gemeistert, mit seinen fast sechs Monaten sogar angezeigt, dass er mal musste und Zuhause angekommen, sehr höflich Kontakt zu den Katzen aufgenommen. Und er war hungrig und müde. Es war überhaupt kein Problem, ihn von seinem Hundebett zu überzeugen, das im Schlafzimmer steht. Er hat direkt verstanden, dass er darin schlafen kann und soll. Er hat kein einziges Mal gejault oder geweint; ich denke, dass der kleine Odin in den ersten Tagen sehr, sehr viel mit sich selber ausgemacht hat, da er noch niemandem sonst wirklich vertrauen konnte… wie sollte er auch!
Wer bist Du eigentlich? Du bist doch vor allem erst mal ein Hund, oder? Nach Odin’s Einzug hatte ich mir vier Wochen Urlaub genommen und in diesen Tagen und Wochen waren wir ununterbrochen zusammen und haben uns kennen gelernt. Mir war klar, dass ich den „schüchternen Tierschutzhund“ nicht überfordern darf, wollte ihn aber auch keinesfalls unterfordern. So haben wir in diesen Wochen sehr vieles zum ersten Mal gemacht; spazieren gehen, spielen, Besuch einer Spielstunde in der Hundeschule, Tierarztbesuch, „Schnuppertag“ in der Hundetagesstätte… Das klingt nach viel, war es auch, aber eben wohldosiert mit ganz vielen Pausen dazwischen.
Bei all diesen Gelegenheiten wurde ich allerdings immer mal wieder von anderen Menschen mit dem Tenor „Das ist ein Herdenschutzhund – wissen Sie eigentlich, was Sie sich da angetan haben?!“ angesprochen und so erst auf HSH aufmerksam gemacht. Ich selbst hatte bis dahin lediglich bemerkt, dass mein Odin nicht so unbekümmert und aufgeschlossen war wie andere Hunde seines Alters und manchmal „merkwürdig“ (re-)agierte, hatte es aber schlicht auf seine Eindrücke und Erlebnisse in der rumänischen „Smeura“ mit ihren mehr als 6.000 Hunden, seinen Tier-Transporten und dem Tierheim im Allgemeinen geschoben. Odin war schüchtern bis skeptisch und hat sich beim spazierengehen manchmal einfach hingesetzt und wollte partout nicht weiter; „Ankerwurf“ oder „Wurzeln“ nenne ich das heute. Nach einigen dieser o.g. Kommentare – da war u.a. sogar die Ferndiagnose oder Vorverurteilung „Der wird ein Monster, da können Sie gar nichts gegen machen!“ oder auch die kategorische Feststellung „Den können Sie nicht erziehen, solche Hunde sind unerziehbar!“ dabei – war ich tatsächlich stark verunsichert und habe damit begonnen, mich mit dem „Mythos und Pathos“ der HSH zu befassen. Im Zuge meiner neuerlichen Internetrecherche bin ich glücklicherweise relativ schnell auf die wirklich wunderbaren Bücher der deutschen HSH-Expertin Mirjam Cordt gestoßen und habe sie (alle!) gekauft und gelesen,auch um zu verstehen, was HSH im „Wesen und im Wesentlichen“ eigentlich so besonders macht; was sie von anderen Hunden abgrenzt. Du bist also ein Herdenschutzhund, da steckt der Begriff Hund drin, also kannst Du lernen! Kann ich es auch?
Nun hatte ich also gelesen, dass HSH sehr sensible, ursprüngliche und eigenständige Hunde sind, zu deren genetisch angelegten und damit auch „selbstbelohnenden“ Verhaltensweisen es u.a. gehören KANN, dass sie Fremden gegenüber misstrauisch sind, zur Ressourcenverteidigung neigen können und ihr Territorium mit allem und jedem darin vielleicht bewachen und beschützen. Nun ja, die Bezeichnung Herdenschutzhund hat eben tatsächlich was mit „schützen“ zu tun…
Als Odin einige Wochen bei mir war und ich die oben geschilderten Erkenntnisse Stück für Stück gewonnen hatte, habe ich mir also vorgenommen, alles dafür zu tun, dass Odin möglichst viele Sozialkontakte bekommt; sowohl mit Vier- als auch mit Zweibeinern. Mir war wichtig, dass er so früh wie möglich so viele positive Erfahrungen wie möglich in seinem neuen Leben macht und lernt, dass Artgenossen und Menschen per se keine Bedrohung sind. So kam es zu der Schnupperstunde in der Hundetagesstätte und zu unserer Anmeldung in der Hundeschule.
Wir haben das Glück gehabt, eine wirklich tolle Hundeschule gefunden zu haben! Mit ganz vielen freien Spielstunden mit großen und kleinen Hunden und deren Menschen am Anfang und bis heute, sehr fröhlichen und ausschließlichreundlichen Gruppenstunden und Trick-Dog ist es gelungen, dass aus dem zurückhaltend ängstlichen ein fröhlich verspielter und auch selbstbewusster Odin geworden ist, der sehr viele Hundefreundschaften pflegt.
In der Hundeschule habe ich im Laufe der Zeit dann auch praktisch erfahren und gelernt, was es mit dem besonderen Wesen der HSH in Verbindung mit „Erziehung“ so auf sich hat. Zumindest mein Hund – und ich weiß mittlerweile von vielen HSH-Menschen, dass es bei ihnen genauso ist – ist kein Befehlsempfänger und er hat auch den so genannten „will to please“ also den unbedingten Willen, mir zu gefallen, nicht. Er ist durchaus sehr daran interessiert, dass wir gut miteinander auskommen und er tut auch sehr viel dafür, aber er will eben nicht um jeden Preis gefallen, wie es Vertretern anderer Rassen zu eigen ist. Auch in meiner Hundeschule gibt es all die Schäferhunde, Retriever und Malinois, die ihren Menschen anhimmeln und mit ihrem Blickein stetiges „Was soll ich als nächstes für Dich tun?“ ausdrücken. Bei Odin? Never ever! Blickkontakt – immer gerne, aber eher im Sinne von „Frauchen, bei Dir noch alles in Ordnung? Ja? Dann mache ich hier mal weiter mein Zeug…“.
Das alles bedeutet aber keinesfalls, dass er nicht lernen kann oder will, im Gegenteil! Odin hat bis heute sehr viel Freude und Spaß am Lernen und er hat eine extrem hohe Auffassungsgabe. Der Weg zum Ziel war und ist allerdings für uns ein etwas anderer… Am besten fange ich mal so an: Odin beherrscht alle Grundsignale wie „Sitz, Platz, Bleib, bei Fuß, Hier, etc.“ und kommt ihnen auch durchaus zuverlässig nach! Er kennt und berücksichtigt noch viele weitere Signale, wie z.B. „langsam, Stopp, rechts, links, warte, bring, gib, nimm mit, etc.“, kann diverse kleine Tricks und zeigt sie gerne.
Auf dem Weg dorthin habe ICH allerdings gelernt, dass „mein HSH“ dies alles gelernt hat, weil es ihm gezeigt und nicht aufgezwungen wurde. Einige unserer „Signale“ hat er direkt beim ersten zeigen (und belohnen) verstanden, andere brauchten etwas länger… allen gemein ist, dass wir sie immer wieder aktualisieren, zusammen und im Spiel!
HSH sind sehr intelligente Hunde, die Teamarbeit lieben, dafür eigentlich sogar geschaffen sind. Und dabei wollen sie meiner Meinung nach ihren Menschen als Teampartner (mit Führungskompetenz) respektieren können und dasfunktioniert nicht mit Druck. Druck erzeugt Frust und im schlimmsten Fall Gegendruck, letztlich auf beiden Seiten, solche Momente hatten wir auch… leider, denn an dieser Stelle musste ich erst einmal lernen, wie ein HSH „tickt“ und wie es funktionieren kann, dass wir beide möglichst oft dasselbe wollen. Odin hat die o.g. Signale mit liebevoller Konsequenz gelernt, d.h. das, was ich sehen wollte, habe ich belohnt, anderes Verhalten ignoriert oder ruhig gestoppt.
Mein Hund wird nicht angebrüllt, es wird nicht an der Leine „geruckt“ oder auf eine andere Art körperlich oder psychisch „gemaßregelt“. Ich weiß zwar, dass es Hunde gibt, die es anders lernen, glaube aber, dass einige dieser Hunde ihre „Befehle“ vorrangig aus Angst vornegativen Konsequenzen ausführen, was bei einem HSH wiederrum regelmäßig wohl nicht funktionieren würde. Sie bewerten ein solches Verhalten als Zeichen für Führungsschwäche, nicht als Stärke. Außerdem ist mein Hund nicht nur mein Hund, sondern vor allem auch mein Freund und Freunde behandele ich freundschaftlich, da hat Angst – egal auf welcher Seite – nichts verloren.
Das ist auch der Grund, aus dem ich meine Worte im Umgang mit Odin anders belegt habe. Bei uns gibt es eben keine Befehle oder Kommandos, sondern Signale. Diese werden auch nicht befolgt, sondern berücksichtigt oder umgesetzt. Inder Praxis mag beides gleich wirken, ein Außenstehender wird den Unterschied auch nicht erkennen können, für mich ist es trotzdem ein sehr wichtiges Element unserer Mensch-HSH-Beziehung. Befehle und Kommandos sind zielgerichtete und vorrangig emotionslose, knappe und präzise Handlungsanweisungen von einem Vorgesetzten an einen wie auch immer Untergebenen mit dem Anspruch auf Gehorsam; ich bin Berufsoffizier bei der Bundeswehr und weiß daher sehr genau, wovon ich hier rede. Den o.g. Teamgedanken aufgreifend, empfinde ich die Bezeichnung „Signale berücksichtigen bzw. umsetzen“ schlicht treffender und ich glaube auch, dass die Verinnerlichung dieser Herangehensweise etwas mit meiner Stimmung und somit auch mit meiner Stimmlage macht. Das bedeutet nicht, dass ich meinen Hund mit „gesungenen“ Sätzen im Sinne von „Odiiiin, würdest Du jetzt bitte vielleicht mal Sitz machen?“ befasse. Unsere Signale bestehen aus den „gängigen“ und einfachen Worten, die freundlich adressiert werden. In manchen Situationen bestehen unsere Signale aus zwei Komponenten (Aufmerksamkeit und Handlung), d.h. mit einem „Odin“ oder einem Geräusch lenke ich seine Aufmerksamkeit zu mir, erst dann folgt das Handlungssignal.
Fakt ist auch, dass Odin in dem Moment, in dem er ein Signal nicht berücksichtigt bzw. umsetzt, einen Grund dafür hat, er tut dies sicher nicht, weil er mich nicht gehört hat. Somit sendet er seinerseits auch Signale an mich, das kann im Training ein „ich mag heute nicht mehr“ oder draußen auf der Gassirunde ein „da stimmt etwas nicht“ oder im Haus ein „draußen ist was“ sein. Das Wesen der HSH ist auf Teamfähigkeit und Eigenständigkeit gleichsam stark ausgerichtet. Der Sinn und Zweck eines (ursprünglichen) HSH war und ist es, zum einem im Team mit einem Hirten zu agieren, hierbei aber auch selbst- und eigenständig seine (Schutz-) Aufgaben wahrzunehmen. Hierzu muss ein HSH auch dazu fähig sein, die jeweilige Lage eigenständig a) zu erkennen, b) zu beurteilen und c) daraus seine Handlung oder eben seine Signale an uns Menschen abzuleiten. Ich habe in unserem Team gelernt, dass man mit diesen Wesenszügen sehr viel erreichen kann, denn mein Hund berücksichtigt die von mir kommenden Signale, ganz einfach, weil er gelernt hat, dass das eine gute Idee ist, ganz sicher in irgendeiner Form belohnt wird (und sei es nur durch ein Lob) und aus seiner Perspektive zumeist auch nichts dagegenspricht.Mittlerweile machen wir sogar seit einigen Monaten – aktuell durch den Corona-Lockdown in NRW leider unterbrochen – Begleithundetraining, wobei ich noch gar nicht weiß, ob wir die Prüfung jemals machen werden, aber darum geht es mir auch gar nicht. Odin macht mit großer Freude mit und es ist eben ein sehr einfaches und nachhaltiges Training, das wir eng zusammen machen können, was uns beiden sehr gut tut. Seit wir das zusammen machen, achtet er auch im normalen Leben mehr auf mich, nicht mehr nur überwiegend andersherum. Ein HSH und Begleithunde-Training, das geht? Ja, und zwar ohne Druck und dabei oft sogar ganz hervorragend (Foto rechts: „Distanz-Ablage“ im Begleithunde-Training)! u hast Vertrauen gefasst, hast schneller als ich alles verstanden und Dich dabei doch gar nicht verändert! Eigentlich hast Du mir was beigebracht, mich verändert…
Bis ich Odin bekam (und leider auch danach noch eine Weile) habe ich fest geglaubt, dass in unserem Team Odin derjenige ist, der lernen muss. Dass vorrangig „der Hund“ derjenige ist, der sich anzupassen hat. Dass er von mir das jeweilige Kommando bekommt und am bestensofort eine korrekte Umsetzung präsentiert. Heute ist zumindest mir klar, dass das so nicht richtig ist.
Ich war zu Anfang angefüllt von Erwartungen, die ich an meinen Hund und auch an mich selbst gerichtet habe. Ich habe mich fast geschämt, wenn mein Hund dies, das und jenes nicht so schnell und gut konnte oder so bereitwillig präsentiert hat, wie andere Hunde es taten. Also war ich auch voll von Erwartungen, von denen ich dachte, dass andere sie an uns stellen. Ich war zwar immer voller Freundlichkeit und Liebe für meinen Hund, aber in manchen Momenten trotzdem frustriert, weil ich doch dachte, alles richtig zu machen, wenn ich ein Ziel verfolge, das ich bereits klar und deutlich vor Augen habe.
Ich führe jeden Tag durchaus erfolgreich mehr als hundert Menschen und nun zeigt mir ein kleiner Hund meine Grenzen auf? Hinterfragt meine Idee von freundlicher Hundeerziehung? Tatsächlich war es genau so! Und das war so was von richtig und gut so!
Mein Odin hat keinen unbedingten Wunsch, mir zu gefallen; das ist nun mal so und mittlerweile finde ich das genial. Er kann ja nun nichts für seine Genetik, seine Herkunft und das, was beides ihm vorgibt, zu sein und zu tun oder zu lassen.
Klar ist auch, dass jeder und jede, der oder die einen Hund bei sich aufnimmt (hierbei ganz egal, ob „adoptiert“ oder „gekauft“) die Verantwortung dafür trägt, dass Mensch und Tier miteinander glücklich leben. Es hat tatsächlich ein wenig gebraucht, bis mir klar wurde, dass genau die oben beschriebene eigeneErwartungshaltung in alle Richtungen das wesentliche Problem ist; unser limitierender Faktor war. Diese Erkenntnis war der Wendepunkt in unserem Zusammenleben! Ich habe mich fortan erst einmal von allen bisherigen Erwartungen verabschiedet, um für mich selbst zu entscheiden, was mir wirklich und unabdingbar wichtig ist. Und ich habe aufmerksam beobachtet, was Odin glücklich macht, also ihm wichtig ist. Und das mag jetzt „kitschig“ klingen, aber ich kann es kaum anders beschreiben: je stärker ichOdin’s Interessen berücksichtigt habe, umso mehr hat er auch meine berücksichtigt. Auch ist mir dadurch viel stärker aufgefallen, was Odin von sich aus schon alles an erwünschtem und „lobenswertem“ Verhalten anbietet. Letztlich habe ich einen kompletten Perspektivwechsel durchgeführt und mich einfach nicht mehr an dem gestört, was noch nicht so gut geklappt hat, sondern über das gefreut, was richtig gut lief…
Ab dem Moment, in dem mir auch egal war, was andere von meinem Hund oder von mir erwarten oder denken, war ich lockerer, entspannter und viel toleranter uns beiden gegenüber. Odin konnte etwas noch nicht, was ich versucht habe, ihm zu zeigen? Dann wurde ich kreativ und habe es ihm auf neue Weise noch mal gezeigt oder mit etwas Zeit dazwischen einfach noch mal neu… Odin bummelt und schnüffelt gerne auf Spaziergängen? Soll er doch ruhig, es ist schließlich die Zeit, die ich mir für ihn nehme… Der mir extrem wichtige Rückruf klappt mal wieder nicht? Schade, aber was soll’s, dafür gibt es Schleppleinen… und wir üben weiter. Diese Aufzählung könnte ewig weitergehen… Fakt ist, mit dieser Änderung meiner eigenen Einstellung, dieser Akzeptanz dafür, alles in unserem Tempo, mit unserer Art und Weise anzugehen, ging plötzlich alles viel einfacher. Mein Hund berücksichtigt wie gesagt meine Signale, mittlerweile werde ich sogar gefragt, wie ich ihm das alles beigebracht habe und es wird angemerkt, wie toll er auf mich hört. Dass derSchlüssel dazu vorrangig ist, dass ich auch seine Signale berücksichtige, sieht oder bemerkt hingegen kaum jemand. Wenn überhaupt, dann werde ich „belächelt“, wenn ich mich z.B. auf dem Hundeplatz hinhocke, meinen Hund umarme und ihm „erkläre“, dass er nicht bellend zum Zaun rennen muss, wenn dort Spaziergänger mit Hund vorbeilaufen, anstatt ihn mit „Aus“ oder „lass das“ anzuschimpfen, um das Verhalten zu unterbinden. Ich hab’s ihmschon mehrfach „erklärt“ und werde das sicher noch öfter machen müssen, da er hier seinen eigenen Trieb bezwingen muss, aber ich merke, dass die Situationen seltener werden.
Du bist also immer noch ein HSH… woran ich das merke?
Trotz allem, was wir bislang erreicht haben und worauf ich tatsächlich auch sehr stolz bin, haben wir HSH-typische „Baustellen“, an denen wir aktuell noch arbeiten und trainieren. HSH sind „Spätentwickler“, bei Odin hat z.B. das „Schutzverhalten“ erst kurz vor seinem zweiten Geburtstag im Sommer 2020 Stück für Stück eingesetzt. „Ganz vorne steht hier sicherlich das Thema „erwünschten Besuch von unerwünschtem zu unterscheiden“. Für Odin ist es schwierig, Fremde ins Haus zu lassen; er mag sie nicht, reagiert territorial und beschützend. Wenn ich dieselben Menschen mit Odin an der Straßenecke abhole, wir ein Stück gemeinsam gehen und dann gemeinsam unser Grundstück und Haus betreten, ist es kein Problem… darauf kann man aufbauen, aber wie gesagt, das Thema ist noch nicht gelöst.
Wenn uns abends bzw. bei Dunkelheit beim Spaziergang ein Mensch (bevorzugt Männer) direkt bzw. frontal entgegenkommt, muss ich die Leine festhalten, weil Odin schon mal „prophylaktisch“ sagt und zeigt, dass er zur Verteidigung bereit ist. Auch hier sind wir noch dabei, ein Signal für „es ist okay, Du kannst Dich entspannen“ zu trainieren. Was wäre das Leben ohne Herausforderungen…
Warum schreibe ich das hier überhaupt?
Die Antwort ist: weil ich Tiere liebe und mir wünsche, dass viele Tiere mit „ihren“ Menschen zusammenfinden und auch zusammen glücklich werden dürfen. Nun führen bekanntlich viele Wege nach Rom, unserer ist letztlich einer davon…
Ich habe unseren bisherigen Weg auch deshalb aufgeschrieben, bei er die besondere Komponente „Herdenschutzhund“ beinhaltet, zu der ich wie gesagt kam, wie die sprichwörtliche „Jungfrau zum Kinde“. Auch an dieser Stelle möchte ich ganz offen sein: ichbin mir nicht sicher, ob ich mir selbst als „Ersthundemensch“ einen HSH zugetraut hätte! Dafür bin ich mir heute aber umso sicherer, dass ich diese besonderen Hunde liebe, ihr Wesen schlichtweg umwerfend finde und mich der Umstand, „könnte ein HSH mitgemischt haben“ eher in Freude denn in Skepsis versetzt.
Insofern weiß ich mittlerweile auch, „was ich mir angetan habe“, nämlich, dass ich nicht nur einen besonderen, sondern meinen Herzenshund bei mir habe, der so wie er ist perfekt ist!Ich möchte dazu anregen, den eigenen Hund so anzunehmen und zu lieben, wie er ist, nicht nur von ihm zu erwarten, sich anzupassen, sondern selbst auch dazu bereit zu sein, sich auf ihn einzulassen, auch wenn das bedeutet, dass er sich vielleicht nicht in allen Punkten sofort und genauso verhält, wie er es aus „Menschensicht“ vielleicht soll…
Es geht um das sich Zeit lassen, das ist kein Wettrennen, keine Show von „wer kann was am besten oder schnellsten“, es ist ein gemeinsamer Weg auf dem es nicht auf das Ziel ankommt; es kommt darauf an, den gemeinsamen Weg zu genießen!
Auf diesem Weg kann man ganz viel Hilfe bekommen, wenn man sie benötigt. Und ganz zum Schluss möchte ich danke sagen: Danke an „Hunde in Not Pfarrkirchen e.V.“ – Familie Bohrer, ganz besonders Dir, liebe Tanja, dass ich bei Euch meinen Odin adoptieren durfte, danke an meine Hundeschule und die vielen Tipps, die ich dort bekommen habe.
Und vor allem bin ich meinem Odin dankbar dafür, dass er da ist und dass er mir gezeigt hat, dass ich selber meinen Blick noch viel stärker als bisher in allen Dingen auf das positive richte. Er hat damit meine ganze Persönlichkeit verändert, mich noch fröhlicher gemacht, als ich es ohnehin schon war und selbstbewusster dafür, eigene Wege zu gehen!
Alles Liebe und Gute wünschen herzlichst – Mona und Odin“